Die Fasern eines Vlieses

So ein Vlies besteht nicht einfach nur aus Wolle. Jedenfalls nicht immer. Ich meine jetzt nicht Lanolin, Schweiß, Heukrümel oder andere Verunreinigungen, sondern die verschiedenen Faserarten, die ein Vlies bilden können.

Hinzu kommt, dass es keine einheitliche Nomenklatur gibt, die diese Faserarten bezeichnet, was zu viel Verwirrung führen kann. Man kann auch wunderbar aneinander vorbeireden!

Darum hier ein Artikel über die verschiedenen Fasern, die in so einem Vlies stecken können!

Warnung: für echte Wollnerds

Aufbau von Fasern

Zunächst ein paar Worte zum Aufbau eines Haars. Bei den Wollfasern und Haaren (auch unseren) handelt es sich um Proteinfasern- Haltbare Eiweißketten. In der Haarwurzel werden Zellen gebildet die fest miteinander verbunden sind und das Haar/die Wollfaser bilden.

Dabei sind verschiedene Zellarten beteiligt. Zwei Sorten Zellen die nebeneinander liegen bilden die Masse der Fasern, außen herum ist noch eine Hülle, die Cuticula. Vermutlich sind der Aufbau der Schichten und ihr Spannungsverhältnis untereinander für die Struktur der Faser verantwortlich (glatt/gewellt). Diese Faserart nennen wir beim Schaf Wolle.

Bei einigen Fasern gibt es im Inneren – zwischen den beiden Zellarten – noch einen markhaltigen Kern. Diese Fasern können sehr dick sein, müssen sie aber nicht. Der Markkern kann unterbrochen sein. In der Literatur finden sich Hinweise darauf, dass die Unterbrechungen hohl sind. Je dicker und durchgängiger der Markkern ist, desto steifer ist die Faser.
Die Fasern mit Markkern werden Haare genannt. Dabei wird zwischen Langhaar, Grannen und Kurzhaar unterschieden. Dazu unten mehr.

Ziemlich wissenschaftlich wird der Aufbau einer Faser hier beschrieben – falls du tiefer einsteigen möchtest.
https://chemiezauber.de/inhalt/q1/proteine-2/wolle.html

Veränderung

Ein Wildschaf hat Deckhaar und Unterwolle. Kurze feste Haare, ähnlich wie die Decke eines Rehs. Darunter, je nach Jahreszeit, sehr feine Wollfasern. Aus diesen beiden Faserarten haben sich die verschiedenen Fasern des Schafsvlieses entwickelt.

Wollfaser

Die Wollfasern sind die feinsten Fasern am Schaf. Feinwollige Schafe oder schlichtwollige Schafe, aber auch Schafe vom Downtype können Vliese aus reiner Wollfaser haben.

Wollfasern sind bogig und sie sind biegsam. Die Bogen der Fasern nennt man Krimp.

Die Wollfasern haben keinen Standard Durchmesser, es befinden sich immer dickere und feinere Fasern im Vlies. Die Bandbreite ist aber von Vlies zu Vlies unterschiedlich und auch von Schafrasse zu Schafrasse.

Wollfasern verschiedener Schafrassen

Der Krimp

Der Krimp beschreibt die Bögen der Wollfasern.

Feine Bögen in feinen Fasern -Feinwollig

längere Bögen in (meist etwas kräftigerer) Faser - Schlichtwollig

Die Bögen können sehr regelmäßig an der Faser sein, sie können sogar innerhalb des Stapels sehr gleichmäßig sein: die Faser markiert. Auf dem Bild seht ihr wie sich der Krimp der Wollfasern eines Merino-Fleischschafes gleichmäßig aneinander fügt.

Kraft in der Wolle hat man, wenn der Krimp sich gerade nicht aneinanderfügt. Die Fasern lassen sich nicht auf engen Raum packen, halten ihr Volumen.

Im gesponnenen Garn ergeben sich bei diesen unterschiedlichen Wolltypen ganz unterschiedliche Eigenschaften.

markierende Wolle

Wolle mit Kraft

Kraft in der Wolle hat man dann eher, wenn es nicht markiert - chaotisch ist, so wie hier bei einem Stapel eines Schwarzköpfigen Fleischschafes.

Kurzhaar

Hier geht es los mit unterschiedlichen Bezeichnungen: Stichelhaar, Kemp. Das Kurzhaar ist der wohl ursprünglichste Bestandteil der „Decke“ eines Wildschafes.

Ich meine damit kurze Fasern im Vlies, die dick und markhaltig sind, sehr steif und leider auch pieksig. In der Evolution sind sie die Überreste dessen was man beim Wild Decke nennt. Sie sind den Haaren an Kopf und Beinen nicht unähnlich und haben auch oft deren Farbe.

Ich bin der Meinung, dass die Kurzhaare im Vlies genauso dem Fellwechsel unterliegen wie die Kopf- und Beinbehaarung der Schafe.


Kurzhaar ist klassischer Bestandteil eines Triplecoats: Wolle, Langhaar und Kurzhaar. Über den Nutzen von Kurzhaar gehen die Meinungen auseinander.

Einige Zuchtrichtungen gehen zur Freude derjenigen, die keine kratzigen Wollen mögen dahin, das Kurzhaar komplett aus dem Vlies heraus zu züchten.
Andere wiederum – darunter der Zuchtverband für ostpreußische Skudden und rauhwollige pommersche Landschafe (kurz: ZVSP) berichten, dass das Kurzhaar für die Wärmeregulierung der Skudden wichtig ist: es hat einen Muskel und kann aufgestellt werden und so mehr oder weniger Luftkammern und Isolation bilden. Der Muskel liegt natürlich in der Haut versteckt, an der Haarwurzel.
Wem sich jetzt die Nackenhaare aufstellen, weil ein Haar einen eigenen Muskel haben soll, der hat sich selber wieder legt 😉 – Nichts anderes als Muskeln der Haare stellen diese bei der Katze oder dem Hund auf, wenn diese Gefahr wittern und sich größer machen wollen!

Langhaar

Überhaar, Deckhaar, Haar, heterotype. Der Begriff Heterotype bezieht sich dabei auf die Veränderung des ursprünglichen Bestandteils der „Decke“ des Wildschafes.
Was ich meine sind lange glatte, manchmal leicht gewellte Fasern, die schlank und biegsam sind. Sie haben einen feinen oder keinen markhaltigen Kern – zumindest keinen durchgängigen. Manche Quellen sprechen davon, dass sie hohl sind, was zusätzlich isolieren würde.

Langhaare/Haare sind ein Bestandteil von mischwolligen Vliesen. Alpaka Fasern bestehen z.B. nur aus Haaren. Die Langhaare bilden bei den Mischwollern einen Mantel, eine Decke (daher die Bezeichnung Deckhaar) über der Unterwolle.

Sogenannte Doublecoats (Doppelmantel) bestehen aus Wolle und Langhaar.

Langhaar verschiedener Schafrassen

Grannen

Kurzhaarähnliches Langhaar, kempy heterotype (Beides nach Gunhild Kurt-Kun), Kemp, Überhaar

Grannen oder kempy heterotypes sind dem Kurzhaar sehr ähnliche Fasern, aber deutlich länger. Markhaltig, manchmal ziemlich dick, muss aber nicht. Sie sind steif und schauen aus dem gesponnenen Garn gerne raus. Ich habe den Eindruck, dass sie sich bei der Wäsche des Pullovers so nach und nach verabschieden.

Hier mal ein Wort zum Querschnitt so einer Faser (aller bisher erwähnten und der folgenden): rund ist keine! Mehr oder weniger eiförmig, unregelmäßig. Kemp und Grannen können sogar wie abgerundete Bananen aussehen – am einen Ende. Und am anderen dann wieder wie eine Kartoffel.

wooly heterotypes

Wollähnliches Haar, so beschreibt Gunhild Kurt-Kun in ihrer 1995 erschienen Dissertation „Beiträge zur Charakterisierung und Verwendung der Mischwollen von Ostpreußischen Skudden und Rauhwolligen Pommerschen Landschafen“ sie. Eine Faser im Übergang von der Wollfaser zum Heterotype, wie sie es nennt - Langhaar.

Pro Vlies fänden sich jeweils nur wenige wooly heterotypes. Sie sind nach dieser Arbeit ein wesentlicher Bestandteil der Pommernvliese vom „feinen Typ“ – Einem Vlies das aus Wollfasern, wooly heterotypes und Langhaar besteht und ein Bindeglied zwischen Mischwollern und Schlichtwollern sei.

Auf dem Bild seht ihr die Fasern eines solchen Pommernvlieses vom feinen Typ. Die Übergänge zwischen Langhaar und Wolle sind fließend. Dazwischen mögen sich auch wooly heterotypes befinden. Das Langhaar hat zumindest im unteren Bereich schlichte Wellen, die Wollfasern sind sehr unregelmäßig – chaotisch gewellt. Ich kann mich nicht entscheiden, wo Langhaar aufhört und wooly heterotype anfängt, und wo es dann in Wolle übergeht.

und was davon ist nun in Pommernvliesen enthalten?

Gunhild Kurt-Kun hat in ihrer Dissertation 1995 die Vliese von Pommernschafen (und anderen) genauer betrachtet. Dabei hat sie zwei Typen von Vliesen gefunden: den feinen Typ und den groben Typ. Diese unterscheiden sich in den bestandteilen, die sie haben.

Pommernvlies vom groben Typ

Beim groben Typ fanden sich Wollfasern und Langhaar und außerdem Kurzhaar oder Grannen (von ca. 30 untersuchten Vliesen waren 5 grob, davon eines mit Kurzhaar, 4 mit Grannen)

Beim Betrachten zweier Vliese im Dezember (Bestandteil eines Faserkalenders) hatte ich lustigerweise von beiden Typen je eins dabei. Dieses Vlies vom groben Typ enthält Grannen, zu meiner Erleichterung nicht sehr viele und auch nicht sehr dicke!

- die Farbe ist dabei zufällig

 

Pommernvlies vom feinen Typ

Beim feinen Typ fanden sich Wollfasern und Langhaar und außerdem wooly heterotypes - nach Kurt-Kun. Wie schon oben erwähnt, finde ich, dass der Übergang fließend ist und es fiel mir schwer sie genau zuzuordnen. Langhaar war von der Länge her gut zu erkennen und Wollfasern waren gekräuselter (unregelmäßig).

- die Farbe ist dabei zufällig

 

Wie geht es weiter?

ich werde bei der nächsten Schur bei meinem Blick in die Vliese gewiss nach grobem und feinem Typ suchen und bin sehr gespannt, ob sich die am Küchentisch gewonnenen Erkenntnisse bestätigen!

Zurück